Gelesen bei "nt-tv"/Online, 12. Oktober 2006
Von Andreas Möser (Reuters)
Auf dem deutschen Hotelmarkt verschärft sich der Wettbewerb durch den Vormarsch von Billigketten. Reisende können sich daher in den kommenden Jahren auf ein breiteres Angebot mit günstigeren Preisen einstellen.
Internationale Konzerne planen mindestens 100 zusätzliche Hotels mit Zimmerpreisen im Bereich von 50 bis 70 Euro je Nacht - vor allem in mittleren und großen Städten. Unter Druck geraten vor allem unabhängige Hoteliers in der Kategorie von drei und vier Sternen. Wie bereits im Luftverkehr wächst die Nachfrage nach günstigeren Angeboten. Urlauber und zunehmend auch Geschäftsleute begnügen sich inzwischen oft mit Standardzimmern - mit TV und Internet, aber ohne kostspielige Hotel-Extras wie Fitnessräume, große Lobbys und Restaurants.
Bislang war in Deutschland nur die französische Accor-Gruppe im so genannten Budgetsektor präsent. Nun will der britische Konkurrent Intercontinental Hotels, weltweit Nummer zwei nach Accor, mit seiner Marke Express by Holiday Inn aufholen. "Wir wollen hier zügig wachsen", sagt Martin Bowen, Entwicklungschef der Marke. Das zehnte Express-Hotel ist im Frühjahr 2007 geplant. Platz sei in Deutschland für 50 Express-Hotels. Bis 2008 soll sich die Zahl der Express-Hotels auf 20 verdoppeln. Für rund 40 Projekte seien Verträge mit Investoren vereinbart. Die späteren Betreiber sind über Franchiseverträge an die Marke gebunden.
Auch die spanische NH Hoteles Group expandiert in Deutschland mit ihrer Billigmarke Motel One. Andere internationale Anbieter dürften folgen. Ebenso will Marktführer Accor will aufstocken. "Es gibt in Deutschland genug Potenzial", sagt Deutschland-Chef Andre Witschi. In den mittlerweile 160 deutschen Hotels der Marken Ibis, Etap und Formule 1 brachten im vorigen Jahr sechs Mio. Gäste knapp 230 Mio. Euro Umsatz - Tendenz weiter steigend. In den nächsten Jahren sollen 40 bis 50 weitere Ibis- und Etap-Hotels entstehen, künftig auch in kleinen und mittleren Städten. "Die Stärke der Budgetmarken ist, dass der Gast überall genau weiß, was ihn erwartet", sagt Witschi.
Der Hotelverband Deutschland schätzt den Anteil von Billigmarken erst bei etwa drei Prozent am Gesamtmarkt der 37.000 Hotels mit zuletzt 17,1 Mrd. Jahresumsatz. Die Zuwachsraten in diesem Sektor lägen über dem Durchschnitt. Die preiswerten Hotels entstünden nicht mehr vornehmlich an Autobahnabfahrten, sondern zentral gelegen in der Innenstadt. Viele Unternehmen achten bei Geschäftsreisen inzwischen stärker auf die Kosten und meiden teure Unterkünfte.
Billigflieger fördern Trend
In den USA, Japan, aber auch in europäischen Ländern wie Großbritannien, Frankreich und Spanien sind Billigketten bereits stärker verbreitet. Der deutsche Hotelmarkt ist traditionell von mittelständischen Einzelhoteliers geprägt. Doch Überkapazitäten und im internationalen Vergleich recht niedrige Zimmerpreise sorgen seit Jahren für schwache Renditen.
"Ich gehe davon aus, dass viele herkömmliche Drei- bis Vier-Sterne-Hotels nicht überleben werden", sagt Express-Manager Bowen. Die vor zehn Jahren in Schottland gegründete Holiday-Inn-Tochter zählte 2005 in weltweit 1.750 Hotels 48 Mio. Gäste, in Deutschland waren es 350.000. Der Trend zu preiswerten Hotels wird befördert von Billigfluggesellschaften. "Wir erleben das in Berlin. Der größte Teil unserer Gäste sind Passagiere von Billigfliegern wie Easyjet", sagt Bowen.
Die in der Regel neu gebauten und mit modernen Energiespartechniken ausgestatteten Express-Hotels seien eher rentabel als klassische Drei- oder Vier-Sterne-Häuser. Bei 60 Prozent Auslastung und 60 Euro Durchschnittspreis lasse sich eine Rendite von etwa acht Prozent auf das eingesetzte Kapital erzielen. Davon können viele Hoteliers nur träumen. "Wir wollen mit Express zwölf bis 15 Prozent Rendite. Da sind wir noch nicht ganz."